Portrait

Ein Hollywood ohne Mel Gibson

Man hört nichts mehr von ihm. Mel Gibson. Der überaus talentierte Schauspieler und Regisseur, der mit Braveheard, so wird gesagt, den Höhepunkt seiner Karriere erreicht hatte, ist in Hollywood gegenwärtig höchstens ein Klatschthema für die quietschbunte Boulevardpresse. Zuletzt wurde Gibson in einem Mozart-Konzert in der Warchau in Wien gesehen, wo er für Bilder mit dortigen Künstlern posierte. Dennoch fragen sich die meisten seiner Fans (oder auch nicht mehr), wo Gibson geblieben ist, um dann mit dem unrühmlichen Absturz seiner anfänglich glänzenden Karriere anzuschließen. Mehr kann ein Künstler wohl kau man Würde verlieren. Das mit dem angeblichen Höhepunkt seiner Karriere sehe ich anders. Mit „Apkalypto“ und „The Passion of the Christ“ hat er nicht nur höchste Filmtechnik, sondern auch zwei absolut unbestreitbare Meisterwerke präsentiert, die ihm wohl niemand mehr so leicht nachmachen wird. Mit Apocalypto spielte er weltweit 120 Millionen Dollar ein. In „Passion of The Christ“ interpretierte er die unerbittliche Gewalt der Menschen zueinander grausam und packend zugleich. Also noch weit in die 2000er hat Gibson Hollywood gezeigt, wie man die Kamera durch den Dschungel jagt und wie gewaltige Bilder aus der Geschichte der Menschheit den Zuschauer in eine andere Zeit und einen anderen Ort versetzen können.

Warum er einen Kameramann hatte ist fraglich. Schließlich gab er jede einzelne Bewegung und jeden noch so beispiellos überragenden Aufnahmewinkel exakt vor. Ihm gelang es als zeitweise konkurrenzlosen Filmemacher, schwerlastige historische Themen in ein Feuerwerk beeindruckender Bilder und Stories zu verwandeln. Wie auch immer. Schon lange bevor er in endgültige Ungnade der Hollywood-Society gefallen war, machte sich Gibson mit wüsten Beschimpfungen gegen die Polizei, Pöbeleien in der Öffentlichkeit und homophoben und antisemitischen Äußerungen einen Namen als alkoholkranker Narr, dem der Größenwahn im wahrsten Sinne des Wortes zu Kopf gestiegen war. Zugegeben, das ist schon peinlich und höchst verwerflich. Aber was auch immer Gibson dazu gebracht hatte, seine eigene Karriere bis in Vergessenheit zu demontieren. Man sollte, gerade im Fall Gibson, das Eigelb vom Eiweiß trennen. Seine Werke sind zweifellos Maßstab und Richtschnur für Filme mit hohem Authentizitätsanspruch und kulturellem Wert. Und was auch kein Regisseur zugeben würde: Gibsons Werke sind in gewisser Weise Vorläufer für spannende Wendungen und der sanften wie auch gewaltigen Kameraführung. Er hat ein Stil etabliert, an dem eine Reihe von Nachwuchstalenten gewachsen ist. Welcher Produzent hat schon nicht von Gibson abgekupfert? So sehr er als cholerischer Freizeitgrantler verschrien war, so sehr war und ist er aber auch ein Regisseur, der mit seinen Werken als sonderbare Klasse in Hollywood glänzen konnte. Waren diese doch niemals Flugs in 3 Monaten gedreht.

Geradliniger uns straffer Handlungsablauf mit nahezu unerträglich steigernder Spannung und übersichtlichem aber dennoch packendem Aufbau, sind markante Zeichen, die jeden seiner Filme prägten. „The Passion of the Christi“ hatte eine Vorbereitungsphase von 7 Jahren. Wer solch hohe Ansprüche an seine Werke stellt, der muss und kann lediglich von tiefer Leidenschaft getrieben sein. Inzwischen jedoch überschattet sein dramatischer Weg ins Abseits der Filmbühne, sein eigentlich unermessliches Erbe an die amerikanische Filmkunst. Bis 2017 schien man an diesem Wert noch weiterhin halten zu wollen. Denn da wurde er als bester Regisseur für den Film „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“ nominiert, was ich übrigens nicht ganz verstehen konnte. Und das obwohl ihm bereits im Jahr 2010 die Rolle in der Fortsetzung des Kinoerfolgs Hangover verwehrt wurde. Nicht einmal die Produzenten hätten dies ändern können. Denn letztendlich weigerte sich die ganze Filmcrew mit Gibson zusammen zu arbeiten.

Gibson sei schlicht nicht teamfähig, so die Übereinkunft der Filmcrew. Das ist dann sicher auch nicht ganz gelogen. Seine Art in Hollywood zu wirken und sich zu entfalten, erweckte nicht selten den Eindruck, dass er lieber sein eigenes Ding durchzog. Aber auch das gehört zu ihm. Gibson ist durchweg Künstler. Exzentrisch, cholerisch, provokant und genial. Jede noch so kleine Szene seiner Filme trägt seine Unterschrift, seine Signatur der Perfektion, sein Geist, seine Vision. Gibson durchlebte jede Szene am eigenen Körper. Er drehte nicht. Er lebte die Zeit, die er in Bildern fest hielt. Er tauchte in jede Welt ein, die er in seinem Kopf aufgebaut hatte. Ich unterstelle zum Schluss, dass es vielen in Hollywood nicht ungelegen kam, dass Gibson den Boden unter den Füßen verlor. So ist eine bedeutende Konkurrenz nicht mehr im Weg. Aber sollte Gibson je auf die Idee kommen, wieder zur Kamera zu greifen, können bis auf wenige Ausnahmeproduzenten alle gute Nacht sagen. Wie sehr warte ich doch auf dieses Comeback.

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