Horrorfilme

Wounds

„Wounds“ (Erscheinung 2019) Regie: Babak Anvari Besetzung: Armie Hammer (Will), Dakota Johnson (Carrie Lynch), Zazie Beetz (Alicia)

Halil Celiksoy: Ich jage Horrorfilme:)

Der iranisch-britische Regisseur Babak Anvari experimentiert in „Wounds“ mit okkultistischen Ritualen. Die Probleme der Leib-Seele-Einigkeit des Menschen haben sich in der Horrorwelt zum Überdruss ausgeschöpft. Wo der vielfach aufgegriffene Abgrund der menschlichen Seele mithilfe dämonischer Einwirkung nicht mehr hinzukommen vermag, kann der Okkultismus in seiner schier unermüdlichen Kreativität der grauenvollen Praktiken Abhilfe schaffen. Düstere Bilder aus einer nicht mehr greifbaren Vergangenheit, bedürfen keiner herausragenden Effekte. Und dennoch bietet sie Anvar. Will (Armie Hammer) schlittert geradezu ungewollt in eine solche Bilderwelt von geöffneten Menschen. Wunden sind hier das Tor zu einer neuen Dimension, die der Mensch als Erweiterung seines Daseins entdeckt haben will. Überliefertes Wissen der Gnostiker, die einem immerwährenden Urtrieb gefolgt sind: Grenzen überwinden.

Gebracht hat ihn dazu ein verhängnisvoller Abend in der Bar in der er arbeitet. Eine Gruppe von Jugendlichen flüchtet im Chaos der Barschlägerei aus der Kneipe. Einer von Ihnen vergisst sein Telefon. Will gelingt es, das Telefon zu entsperren. In der Galerie stößt er auf grausame Bilder von abgetrennten Köpfen. Ganz stumm schleichen sich die Bilder in seinen Kopf, deren Wirkung sich wohl die wenigsten Menschen entziehen könnten. Immer wieder tauchen Visionen eines lebenden Stück Fleisches, das ihn anblickt, auf. Geplagt von schweren Halluzinationen schlittert er ungebremst in die Besessenheit. Anvar hat sich in Bezug auf sein Schaffen längst preisgegeben. Seine Filme sollen scheinbar eine Möglichkeit der Exploration aus der künstlerisch abgestumpften Vorstellungskraft bieten. Ganz jenseits des trendorientierten Gruselhandwerks ala Conjuring und so. Wer entschlossen ist, sich keine künstlich aufgeblasenen Szenen mehr anzusehen, in denen außer einem ohrenbetäubenden Geschrei nicht viel bleibt, der kann bei „Wounds“ seine Ekelgrenzen auf die Probe stellen.

Anvars Bilder sind weniger bewegt, locken in die Tiefe eines unbestimmten, sich aber erkennbar heranschleichenden Grauens, isolieren den Zuschauer in einer beklemmenden Atmosphäre und setzen unausgesprochene Albträume aus Fleisch und Blut in Szene, wobei das Mischverhältnis zwischen Ekel und Grauen seinen Werken den markanten Schliff verleiht. Damit arbeitet Anvari hart an der Durchsetzung seiner Qualität der Wiedererkennung. Die Wenigsten kennen die an der Hand abzählbaren Werke Anvaris. Aber wie es so ist, zündet ein einziges Werk den wohlverdienten Rum eines viel zu lange außerhalb gestandenen Filmkünstlers. Am bekanntesten ist da noch „under the shadow“. Lobende Kritik konnte dieser Film problemlos ernten. In „Wounds“ aber zeigt sich das allbekannte Meinungsgefälle zwischen den Rezipienten aus dem digitalen Fanblock und jenen, die als unermüdliche Kritiker, wie gewohnt, auch mal völlig eigenartige Perspektiven einnehmen. Deshalb fühle ich mich geradezu genötigt, eine völlig überfällige Lanze für diesen Regisseur und seine Werke zu brechen. Anvari pflegt eine stark verwobene Textur in seinen Storys, die sein Werke kaum nur auf das Genre reduzieren lassen. Die Figuren erhalten markante Charakterzüge, die sie von Beginn an in jede Szene mitnehmen. Wounds gehört für mich definitiv in die obere Liga. Auch in der Zukunft erhoffe ich mir mehr von einer solchen Art Bereicherung des Films.

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